Monatsarchive: April 2018
Kultur und Heimat
Hallo Klardenker,
in den letzten Monaten und Jahren habe ich die große Lektion des Loslassens gelernt. Kinder werden erwachsen und selbstständig, geliebte Menschen gehen, Besitz an irdischen Dingen kann eher fesseln, denn beflügeln. Geben ist seliger, denn Nehmen……. Alles Erkenntnisse, die jeder im Laufe seines Lebens erfahren bzw. für sich vereinnahmen kann.
Vermehrt höre ich die Anmerkung , man solle auch aufhören, zu bewerten. Lassen wir mal die Äußerungen weg, die manchen nur so aus dem Mund purzeln, Hauptsache dass etwas gesagt wird. Davon sind wir heute umzingelt. Eine eigene Meinung zu finden, die vor der Bekanntgabe mit eigenen Maßstäben abgeglichen wurde und die Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist, halte ich für absolut wertvoll. Vielmehr sehe ich immer mehr die Gefahr, dass wir auf Wertungsleere und Schweigen getrimmt werden und schon sind.
Wir leben in Zeiten größter Veränderungen im Innern und Außen. Die Klappe halten und neues Denunziantentum haben Konjunktur. Das hätte ich in so „kurzer Zeit“ nach dem Ende der DDR nicht erwartet. In den „neuen“ Bundesländern hat man noch nicht alles ganz vergessen und gewiss gibt es auch deshalb vor allem dort Proteste.
Von offizieller Seite wird ja immer heftiger ein Geschichtsbewusstsein gefordert – denn keiner solle je die Meinung mancher Großeltern akzeptieren, sie hätten von nichts gewusst. Nun, davon kann heute nun wirklich keine Rede mehr sein.
Wir wissen aktuell viel über die Vorgänge im eigenen Lande und auf dieser Welt. Dank des Inter-Netzes, in dem wir alle verstrickt sind und der offiziellen Medien können wir uns nicht als blind und taub heraus reden.
Die vielen Brennpunkte auf der Erde möchte ich jetzt hier gar nicht alle aufzählen. Die Kriegstreiberei, die wir derzeit erleben und die unverhohlene Aggression gegen Russland kann einem nur Angst und Bange machen. Seit Wochen sind wir Zuschauer des Agententhrillers um einen russischen Doppelagenten namens Skripal und dessen Tochter Yulia, die angeblich mit einem Gift namens Novichok, das angeblich nur aus Russland kommen kann, fast umgebracht worden sind. Tag für Tag kommen nun Fakten heraus, die die Behauptungen ins Wanken bringen bzw. die einem zu denken geben sollten.
Wussten Sie, dass die NATO verlangt, die EU müsse alle Straßen, Brücken und Schienen daraufhin überprüfen, ob sie panzertauglich sind. Besonders schwere und überdimensionierte Militärfahrzeuge könnten nämlich nicht überall passieren. Ich empfehle dazu den Artikel „Es rasseln die Ketten“ von Niki Vogt, den Sie bei „Die Unbestechlichen“ nachlesen können.
Abgestumpft sind wir! Durch das Übermaß an Informationen und Bildern erleiden wir einen emotionalen Niedergang und die Folge ist eine tiefe Gleichgültigkeit. Inzwischen stecken wir in einer Veränderung des Lebensgefühls, die bei den meisten angekommen ist. Und trotzdem reagieren wir nicht, wenn uns eingeredet wird, dass das Wort Heimat nicht mehr zeitgemäß sei oder, wenn im Ernst, die Diskussion initiiert werden soll, ob es richtig sei, dass man in der Nationalhymne vom Vaterland spricht…… Unsere Kultur, die über Generationen gestaltet wurde, wird nicht nur auf vielen Gebieten ignoriert, sondern negiert und zerstört. Ich spreche nicht von lebendigem Wandel, der eine Notwendigkeit und Erweiterung sein kann. Der Begriff Kultur ist so vielfältig wie das Leben. Die einfachste Definition verweist auf alles, was der Mensch selbst gestaltend in seiner ihn umgebenden Natur hervorbringt. Gesellschaftlich betrachtet gehört dazu auch ein System von Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten der Menschen prägen. Sprache, Musik, Religion, Moral, Recht, Wissenschaft, Wirtschaft, Landwirtschaft…. bestimmen die Art und Erscheinung einer Gruppe in einem eigenen Kulturkreis. Die Kultur eines Volkes ist die Auffassung des Selbstverständnisses und des Zusammengehörigkeitsgefühls. Und dieses gilt es zu bewahren und zu hüten.
Die Äußerung von Schuldzuweisungen für aktuell sich vollziehende Entwicklungen ist eine leichte Übung. Da kann ich mich gerne in den großen Reigen der Kritiker einreihen – doch damit allein wird sich nichts ändern. Nur, wenn Missstände bekannt werden, ins Bewusstsein gerückt werden – vor allem bei den Verantwortlichen, die an Schalthebeln sitzen, kann eine Regulierung und Verbesserung eingefordert werden. Und das sollte möglichst sachlich geschehen und auf die Praxis bezogen sein. Jeder kennt sein eigenes Arbeits- und Lebensgebiet und von dort zu berichten, ist authentisch. Wiederholungen von Stammtischgesprächen und Klatschtiraden sind eher kontraproduktiv. Sie sind auch überhaupt nicht nötig – es gibt genug eigene Erfahrungen.
Seit ein paar Tagen stehen vor dem Berliner Roten Rathaus eine größere Gruppe an Feuerwehrleuten. Sie nutzen ihre Freizeit, um mit einer Mahnwache unter dem Titel „Berlin brennt“, auf die haltlosen Zustände in ihrem Berufsstand hinzuweisen. Hinzu kommen Feuerwehrmänner aus verschiedenen Städten des Landes, die sich anschließen, Timo Sivert, Sprecher der Feuerwehrmänner aus Hamburg oder auch Mario Busch, der seinen Berufsstand in Lanzendorf vertritt und sagt:“Die Feuerwehr ist ausgebrannt.“ Schlechte Ausrüstung, veraltetes Gerät, Fahrzeuge, die zum Teil mit Oldtimerkennzeichen fahren, schlechte Bezahlung, Überstunden, hoher Krankenstand, kein Nachwuchs…….. Da fallen ihnen gleich auch noch andere Berufsstände ein? Stimmt. Zum Wochenende wollen sich Polizisten und medizinisches Personal anschließen. Vielleicht wird aus dieser Bewegung etwas großes.
Verzweiflung und Empörung nehmen zu. Empörung ist laut Duden eine von starken Emotionen begleitete Entrüstung als Reaktion auf Verstöße gegen moralische Konventionen.
Stellvertretend für viele Lehrer, die sich in Not sehen, möchte ich hier eine Vertreterin aus Wien zu Wort kommen lassen:
Das Freiburger Schulamt, beispielsweise, stellte schon früh fest, dass die Lehrer nicht mehr für die Sicherheit der Schüler garantieren könnten.
Dass wir gute Gastgeber sind, das haben wir im Laufe von Jahrhunderten bewiesen – und nicht erst zur Fußball WM.
Dass unser Land aus der Zuwanderung von Menschen fremder Regionen und mit neuer Kultur profitiert hat, das kann jeder feststellen, wenn er mal in der Geschichte nachliest. Den Nutzen erkannte auch der Alte Fritz, der die Handwerker ins Land einlud. Die Hugenotten haben Weber, Schmiede, Kulturschaffende und Kochvielfalt nach Berlin gebracht. Übrigens auch das Essbesteck, wie wir es heute benutzen.
Und mein Neukölln mit seinen bunten Ansichten und Geschäften möchte ich auf keinen Fall missen. Man kennt sich seit Jahren und inzwischen werden deutsche Kunden von den alteingesessenen Türken angesprochen, warum wir nicht unsere vorhandenen Gesetze nutzen, um dem Treiben zu begegnen.
Regeln des Zusammenlebens müssen eingehalten werden, um den Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit zu erhalten und den Schutz des Schwächeren gegen den Stärkeren zu gewährleisten. Zugewanderte müssen die Regeln des Gastgebers annehmen und natürlich dessen Sprache lernen. Vor allem aber muss radikaler Gewalt auf das Strengste Einhalt geboten werden. Prügeleien auf der Straße, aggressive Provokationen, Messerstechereien, Vergewaltigung in der Ehe….. gehören sofort geahndet.
Die Gesetze und Regeln dazu sind vorhanden. Die Durchsetzung stößt auf Schwierigkeiten. Auch auf dem Gebiet der Rechtsprechung herrscht der gleiche Mangel wie in fast allen sozialen Gebieten. Richterin Fleischer aus Berlin spricht von absolutem Personalmangel, von 60-Stunden-Arbeitswochen, von höchstem Krankenstand. Hinzu kommt, dass es inzwischen so viele Rechtsverstöße zu bearbeiten gibt, dass einfach zu wenig Gerichtsraum zur Verfügung stehen. Das Gericht in Berlin-Moabit wartet seit Jahren auf zwei zugesagte neue Säle – so beschreibt es Peter Schuster, Vorsitzender der Schwurgerichtssäle. Falsche Einsparungen haben auch hier zu schwerwiegenden Folgen geführt. Die Zeit der Abarbeitung, innerhalb der 4-Monatsfrist der U-Haft, kann oft nicht eingehalten werden, so dass die Häftlinge wieder auf freien Fuß gelassen werden müssen.
Zu diesen Themen passt das Buch:
Karl Albrecht Schachtschneider „Erinnerung ans Recht – Essays zur Politik unserer Tage“
Ich wiederhole – Die Äußerung von Schuldzuweisungen für aktuell sich vollziehende Entwicklungen ist eine leichte Übung. Hinzu füge ich die Frage – Wie pflegen wir eigentlich im ganz Privaten unsere eigene Kultur?
Wir lassen viel zu viel Raum, den sich andere zu Nutze machen. Die Aussage von Luis Pasteur (1822-1895) „Der Erreger ist nichts – das Milieu ist alles“ kann man ja auch mal ganz anders anwenden. Je weniger wir unsere Umgangsformen pflegen, das Familienzusammengehörigkeitsgefühl stärken, Bildung fördern, respektvoll miteinander umgehen, die eigenen Glaubensrichtungen leben, je mehr entstehen Freiräume, die ganz schnell fremd besetzt werden. Missstände sollten wir in den kommunalen Ebenen benennen und hartnäckig bleiben. Waren sie schon mal bei den Versammlungen und Bürgeranhörungen im eigenen Rathaus? Die Arbeit beginnt immer im Kleinen.
Mit freundlicher Entschiedenheit kann man sich auch Respekt verdienen.
Christiane Clauss-Ude