Novertis-Stiftung
Der Blick über den eigenen Tellerrand
Hallo Klardenker,
gewiss ist es gut, über den Tellerrand hinaus zu sehen.
Wohin unser Blick auch geht gibt es Ungerechtigkeiten, Bedrohungen, Gefahren, Konflikte, Katastrophen und Elend. Nur kommen mir in letzter Zeit verstärkt Bedenken, ob es nicht viel mehr so ist, dass wir nur noch in die Ferne sehen, ohne die Vorgänge im eigenen Haus zu bemerken.
Und damit meine ich wirklich das eigene Umfeld. Es ist viel bequemer, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als sich an die eigene Nase zu fassen. Darüber, welche Pläne zum Beispiel zur Aushöhlung der Familie bestehen oder welche Macht die gesteuerten Medien auf unser Verhalten haben, ist auch an dieser Stelle viel geschrieben worden.
Das Internet ist angefüllt mit Denkanstößen verschiedener Aktivisten. Was hindert uns, die wir dies alles längst wissen, das eigene Handeln mal unter die Lupe zu nehmen.
Die vorgeführten allgemeinen Trends haben wir alle bewusst oder unbewusst Stück für Stück irgendwie mitgemacht und das Resultat ist ein kultureller Einheitsbrei. Wir kleiden uns relativ gleich, was einer allgemeinen Uniformierung schon sehr nahe kommt. Erschreckend finde ich bei einem Blick in die Geschäfte die vorherrschenden dunklen bzw. Schwarzfarbtöne – na, wenn das nicht auf Dauer seine Wirkung auf die Gemütslage hat. Wir hören und tanzen nach der gleichen Pfeife – pardon der gleichen Musik und dabei ist es egal ob wir Christen, Muslime oder sonst was sind.
Das Fernsehen bestimmt was wir sehen und fühlen.
Eine allgemeine Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren wird uns suggeriert, dass wir einen den ultimativen Kick brauchen, um dem Alltagstrott zu endfliehen. Besonders cool ist, wer einen Bungeesprung wagt, Hochhauswände herunter läuft, sich aus Flugzeugen stürzt oder zumindest die neueste Achterbahn mit vierfachem Looping ausprobiert. Die Fahrt zur Ostsee reicht nicht mehr – es sollte schon die Weltreise sein bzw. ein Ziel ganz weit weg. Wundern wir uns da wirklich, dass bei Jugendlichen eine Mega – Super – Party nur gilt, wenn die Unmengen Freibier mit musikalischer Dauerbedröhnung zum Komasaufen führen?
Maßlosigkeit aller Orten – und ich denke, es wird höchste Zeit, wieder Maßstäbe zu setzen.
Die derzeitige Krise betrifft nicht nur die Finanzmärkte, sondern genauso die Moral und Werte des Miteinanders. Zukunftsängste kommen nicht von ungefähr und sind weit verbreitet. Schlimm wird es, wenn daraus auch die Angst vor selbstständigem Denken und Handeln erwächst.
Gerade hat uns die Hochwassernot gezeigt, dass gegenseitige Hilfe nach wie vor funktioniert. Dank der modernen Kommunikationsmöglichkeiten kamen freiwillige Helfer von weit her – das haben wir schon beim Hochwasser der Elbe 2013 erfahren dürfen. Es wurden Kräfte und Ideen mobilisiert, die durchaus hoffen lassen.
Die großen Probleme dieser Welt werden wir nicht lösen, indem wir unsere gesamte Aufmerksamkeit darauf richten und derweil gar nicht bemerken, dass die eigene Basis des Lebens zerbröselt. Oder sind wir schon soweit mit den allgemeinen Trends gegangen, dass wir gar keine Defizite bemerken?
Ich denke, dass vielen die aktuellen Problematiken durchaus bewusst sind. Es gilt nun, endlich aus den alltäglichen Fahrwassern heraus zu kommen. Das fängt schon mit dem ersten frühen Blick aufs Handy bzw. dem Einschalten des Computers an. Wir haben uns in einen Verhaltenszwang gebracht, der uns absolut dominiert – und das alles frei selbst gewählt. Scheinbar sind wir mit der Welt und „Freunden“ ständig verbunden – hier schnell eine SMS, da ein Mail und nicht zu vergessen der „Segen“ von WhatsApp. Die vielen Kontaktmöglichkeiten und die große Flexibilität haben wirkliches und persönliches miteinander reden sehr schwer gemacht. Ständig online – die Freiheit nehm ich mir – und sind wir dann wieder Zuhause, fehlen uns oft die Worte zum Partner oder zum Kind. Man ist dann auch echt platt, denn alles raubt Energie.
Einfach mal ausschalten und nicht erreichbar sein. Das ist so leicht und doch so schwer.
Oder ist dieses Verhalten inzwischen doch eine Flucht vor der eigenen Verantwortung? Brecht bezeichnet die Familie als die kleinste Zelle der Gesellschaft. Menschliches Zusammenleben, das Führen einer Ehe bzw. Lebensgemeinschaft oder die gar die Begleitung von Kindern sind nicht nur Freude.
Ich kann es gerne auch Bemühung und teilweise Anstrengung nennen, die das eigene Entwickeln und Wachsen ermöglicht. Und nebenbei gesagt – in keinem anderen Lebensbereich bekommt man für „Investitionen“ mehr zurück.
Das Schulsystem zu kritisieren ist richtig und schon mehrfach Thema gewesen – aber allzu oft scheint es mir, dass die Verantwortung für die eigenen Kinder abgegeben wird. Nun macht mal – auch Lehrer sind ja schließlich Dienstleister – genau wie Ausbilder und Lehrmeister. Wissen wir zum Beispiel eigentlich, was unsere Kinder beschäftigt und wie sie ihre Zeit einteilen? Miteinander reden ist da sehr hilfreich. Nehmen sie sich die Zeit – es ist meist alles eine Frage der selbst gesetzten Prioritäten.
Ein gewisser Alltagsablauf sollte als Gerüst gesehen werden, das einen „Halt“ im Leben gibt. Ich meine nicht die stumpfsinnig erscheinenden Abläufe, die der tägliche Zeitplan so vorgibt. Ich bin davon überzeugt, dass das eigene Verhalten und Vorleben nicht nur eine Wirkung auf die eigenen Kinder hat. Ein gefühlvolles Familienleben, Höflichkeit und Rücksicht anderen gegenüber und die allgemeine Wortwahl tun ihre Wirkung. Auch fängt es bei scheinbaren Kleinigkeiten an, wie zum Beispiel die Nichtverwendung von Plastiktüten. Haben sie auch schon die teurere Milch gekauft oder handeln wir so, wie es uns die Werbung lehrt – unterm Strich zähl nur ich?
Gleiches gilt für Fleisch und Eier – lieber weniger und dafür in besserer Qualität. Man kann natürlich auch die Grillsaison in Hülle und Fülle zelebrieren – Hauptsache wir unterschreiben die Petition gegen Massentierhaltung. Welches Auto mit welchem Spritverbrauch Sie kaufen, ob es nun die Designerklamotten mit dem passenden Schmuck sein müssen …..das steht Ihnen alles frei zu entscheiden – und wird die Maßstäbe für Ihre Kinder setzen.
Sinn und Ziele im Leben werden vom Elternhaus stark geprägt. Wir brauchen mehr Vorbilder als Vorschriften.
Die ganz „großen“ Themen werden an dieser Stelle sicher auch wieder besprochen werden.
Doch scheint mir, dass die ständige Verbreitung von Schreckensszenarien im Internet manchmal nur der eigenen Profilierung dient. Und dabei erleben wir die gleiche Verwendung von Angstmacherei, die offiziell auch betrieben wird. Es ist an der Zeit, dass Initiativen und Erfolge benannt werden. Es gibt sie! Darüber sollte viel mehr berichtet werden.
Ich möchte an dieser Stelle mal nicht die Medien verteufeln. Ob Sie nun dem Hype der Fußball – EM erliegen oder nicht. Jeder hat die Möglichkeit die Aus-Taste am Fernseher zu bedienen. Wenn Sie Spaß am Fußballgeschehen haben – dann genießen Sie ihn.
Auf jeden Fall sollten aus allgemeiner Stimmung endlich Stimmen und Handlungen erwachsen – und die fangen bei Kleinigkeiten an.
Ich wünsche eine gute Sommerzeit
Christiane Clauss-Ude